Wer bremst, spart Energie
elektrische Komponenten
Gleichstrom könnte die Energieversorgung von Fabriken revolutionieren. Was schon möglich ist, zeigt Lapp mit einer DC-Testanlage bei einem Automobilhersteller.

Für den Karosseriebau werden viele Roboterleistungen benötigt. Sie alle werden im Werk Dingolfing mit Gleichstrom angetrieben und sparen so eine Menge Energie (Bild: Lapp/Daniel Schvarcz).
Der Karosseriebau in der Automobilindustrie ist heute fast menschenleer, hier machen Roboter die Schwerstarbeit. Dabei verbrauchen sie allerdings viel Energie. In einer Industrieanlage entfallen 25 Prozent des Stromverbrauchs auf Maschinen und Roboter. Energiesparmaßnahmen versprechen hier entsprechend deutliche Einsparpotenziale. Ein großer Hebel könnte Gleichstrom (DC) sein.

Alois Heimler, Business Development Manager Automotive & Strategic Marketing LA EMEA, hat den Aufbau der Serienfertigung und der Testanlage unterstützt (Bild: Lapp/Daniel Schvarcz).
»In Zukunft wird Energie in der Produktion voraussichtlich mehr und mehr durch Gleichstrom bereitgestellt«, sagt Alois Heimler, Strategic Marketing Manager Intralogistik & Automotive bei Lapp. »Das Zauberwort heißt Rekuperation.« Im Werk der BMW Group in Dingolfing kann man sehen, was das bedeutet. Die Fertigung im Karosseriebau wird mit Gleichstrom betrieben. Die Verbindungslösungen für die Fertigungslinie stammen vom Stuttgarter Kabelhersteller.
Energie zurückgewinnen
Rekuperation kennt man von Elektroautos: Beim Beschleunigen wird Energie verbraucht, beim Bremsen wird ein Teil wieder zurückgewonnen und in der Batterie gespeichert oder im Falle der Roboter an andere Maschinen geleitet bzw. ins Netz gespeist. In Wechselstromsystemen (AC) ginge diese Energie als Wärme verloren. Im DC-Netz dagegen wird die Energie beim Bremsvorgang über einen zentralen Gleichrichter wieder in Gleichspannung umgewandelt und anschließend in Frequenzumrichter verteilt. Das erlaubt den direkten Energieaustausch zwischen allen Antrieben.
Wenn dann noch der Strom aus regenerativen Quellen wie Fotovoltaik kommt, liegt er direkt als Gleichspannung vor und muss nicht mehr gewandelt werden, wenn die Verbraucher auch auf Gleichstrom ausgelegt sind. »DC ist daher ein Kernelement für die Energiewende«, so Heimler. Die genauen Einsparungen bei einer Umstellung auf DC variierten je nach Anlage und ihrer Auslastung, 15 bis 20 Prozent seien jedoch realistisch.
Komplettes DC-Angebot
Daher hat Lapp ein Leitungsportfolio für verschiedene DC-Anwendungen im Niederspannungsbereich entwickelt. Das Unternehmen möchte damit seine Rolle als führender Anbieter von integrierten Lösungen und Markenprodukten im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie untermauern. Eine dieser Leitungen ist »Ölflex DC 100«, die auch in der Karosserieproduktion in Dingolfing zum Einsatz kommt. Mit ihrer speziellen Konstruktion für den Langzeitbetrieb und einer maximalen Spannung von 0,75/1,5 Kilovolt ist sie eine geeignete Basis für energieeffiziente DC-Netze in industriellen Anlagen und empfiehlt sich damit besonders für die Automobilproduktion. Ebenso verbaut ist »Ölflex DC Grid 100«. Als DC-Starkstromkabel für Gleichstromnetze bietet diese in industriellen Anlagen einen flexiblen, feindrähtigen Aufbau, der in trockenen, feuchten und nassen Umgebungen eingesetzt werden kann. Somit ist die Leitung besonders für Steuerungsanlagen, Motoren und Frequenzumrichter geeignet.
Besonders hohe Anforderungen stellen Roboter. Für sie ist die Leitung »Ölflex DC Robot« gedacht. Damit können sich Roboter präzise bewegen, gleichzeitig ist das Kabel widerstandsfähig gegenüber Rotationen und Biegungen. Die kompakte Bauweise spart darüber hinaus wertvollen Platz.
Unverzichtbar für die Fertigungslinie sind bewegliche Anwendungen. Die Leitung »Ölflex DC Chain 800« kann in Schleppketten mit langen Verfahrwegen oder hohen Beschleunigungen eingesetzt werden. Ihre besonders kurze Aderverseilung erlaubt kleinste Biegeradien, und ihr Außenmantel aus speziellem thermoplastischem Polymer ist chemisch beständig sowie erhöht ölbeständig.
Weniger Leiter, weniger Platz
Leitungen für Wechselspannung haben fünf Adern, bei Gleichspannung sind es nur drei oder vier.

Nahaufnahme DC-Leitungen von Lapp (Bild: Lapp/Daniel Schvarcz).
Das erlaubt kleinere Leitungsquerschnitte. DC-Leitungen benötigen daher weit weniger Kupfer als ihre AC-Schwestern. Das Materialeinsparpotenzial beträgt etwa 40 Prozent, was sie platzsparender und gerade für Anwendungen mit beengten Platzverhältnissen oder auch in Schaltschränken interessant macht.
In Dingolfing muss die DC-Technologie ihre Praxisreife beweisen. Der Test ist Teil von »DC-Industrie2«. Das deutsche Forschungsprojekt untersucht die Chancen und Herausforderungen der Gleichstromtechnik in industriellen Produktionsanlagen. Forschende planen, ganze Fabrikhallen auf Gleichstrom umzustellen. Die Ergebnisse des Forschungsprojekts gelten dabei als richtungsweisend für energieeffiziente Lösungen und Standards. Auch Lapp ist Projektpartner. Die Leitung »Ölflex DC 100«, die im Projekt entstanden ist, ist bereits als Serienprodukt auf dem Markt erhältlich.

Das gesamte DC-Portfolio von Lapp ist im Werk des bayerischen Autoherstellers im Einsatz (Bild: Lapp/Daniel Schvarcz).
Den bayerischen Automobilproduzenten und den schwäbischen Kabelhersteller verbindet eine langjährige Partnerschaft. DC-Leitungen mit besonderen Leitungsquerschnitten hat der Kabelproduzent eigens und in sehr kurzer Zeit für den Automobilhersteller als Prototypen angefertigt. »Wir glauben daran, dass in Zukunft mehr und mehr Produktionsanlagen mit Gleichspannung versorgt werden«, fasst Heimler zusammen.
DC-Industrie2 / ODCA
BMW und Lapp sind Teil des Forschungsprojekts »DC-Industrie2«. Das Projekt entwickelt ein Konzept für ein intelligentes DC-Versorgungssystem für eine Produktionshalle. Das Fazit bei Projektende im März 2023 war: DC eignet sich für ein nachhaltiges, elektrisches Netz und kann leicht in die Produktion eingebunden werden.
Die Erkenntnisse werden in der vom ZVEI gegründeten Arbeitsgemeinschaft Open Direct Current Alliance (ODCA) aufgenommen und weiterentwickelt. Der Stuttgarter Kabelhersteller erforschte in dem Projekt die Langzeitstabilität von Isolationsmaterialien für DC-Kabel und Leitungen.
Die ODCA wurde vom Zentralverband Elektrotechnik- und Elektronikindustrie (ZVEI) in Kooperation mit Unternehmen aus Industrie und Forschung gegründet, um die Entwicklung und Markteinführung von Gleichstromnetzen voranzutreiben. Mit 56 beteiligten Unternehmen, darunter auch Lapp, setzt sich die ODCA für eine ressourcenschonende und CO2-neutrale Welt ein.