Wesentliches stets im Blick

Kuhn Fachmedien

Artikel vom 17. Oktober 2023
Bildverarbeitungssysteme und Komponenten

In den Abkantpressen des Pressenherstellers Bystronic sorgen ein kamerabasiertes Schutzsystem und ein Automatisierungssystem von Pilz für sichere, effiziente und bedienerfreundliche Prozesse. Mit dem neu entwickelten Modul zur Biegewinkelmessung erweitert der Maschinenbauer den Leistungsumfang des Schutzsystems: Die an die Steuerung übermittelten Bilddaten zeigen das aktuelle Winkelmaß direkt beim Abkanten auf dem Bediendisplay an, aufwendige Handmessungen oder teure Winkelmesssysteme entfallen.

Kontakt: Die Abkantpresse erstellt eine Biegekontur mit dem vorgegebenen Biegewinkel. Links im Bild die Empfängereinheit des Schutz- und Messsystems (Bild: Bystronic/Pilz).

Zweifelsohne ist an Pressen eine zuverlässige Sicherheitslösung ein Muss − insbesondere dann, wenn diese halbautomatisch betrieben und von Hand bestückt werden. Dass moderne Schutzsysteme ihren Safety- und Security-Auftrag heute nicht nur effizient, sondern gleichzeitig bedienerfreundlich und manipulationsresistent erfüllen müssen, setzen Anlagenhersteller wie Anwender als Selbstverständlichkeit voraus.

Spezialfall Abkantpresse

An Abkantpressen kommen häufig Werkzeuge zum Einsatz, bei denen konventionelle Schutzeinrichtungen aus unterschiedlichen Gründen an Grenzen stoßen, insbesondere bei kompakten Maschinen: Hier etwa ist Platz Mangelware.

Ist der Winkel korrekt? Unmittelbar nach dem Biegevorgang stellt das Biegewinkelmodul des kamerabasierten Messsystems den realisierten Biegewinkel auf dem Bediendisplay dar (Bild: Bystronic/Pilz).

Mechanische oder laserbasierte Biegewinkelmesssysteme, die an einer Schiene vor der Matrize montiert und parallel zu dieser mitfahren, sind oft kompliziert, hinderlich und teuer. Gemäß der Norm EN 12622 ist jede Biegelinie mit einem Schutzfeld so abzusichern, dass dieses werkseitig mindestens 15 Millimeter vorgelagert ist. Herausforderung und Voraussetzung zur Erfüllung der normativen Vorgabe ist, dass das Werkzeug komplett im Sichtfeld des Schutzsystems ist. Das kamerabasierte Schutzsystem »PSENvip« wie auch die zweite, erweiterte Generation »PSENvip 2« des kamerabasierten Schutzsystems von Pilz erfüllen diese Normvorgaben. »Die einfache Handhabe, die hohe Zuverlässigkeit und das damit erzielbare Plus an Produktivität und Maschinenverfügbarkeit sind die wesentlichen Gründe, warum wir bei der ›Xpert‹-Serie seit Jahren auf das Schutzsystem ›PSENvip‹ setzen«, betont Karsten Trautvetter, bei Bystronic verantwortlich für das Produktmanagement.

Das Technologieunternehmen legt einen seiner Schwerpunkte auf die Automation von Biege- und Schneidprozessen in der Metallbearbeitung. Neben Laserschneidsystemen zählen insbesondere Abkantpressen und intelligente Softwarelösungen zum Portfolio. Der Hauptsitz von Bystronic liegt in Niederönz, Schweiz. Weitere Entwicklungs- und Produktionsstandorte befinden sich in Sulgen (Schweiz), Gotha (Deutschland), Cazzago San Martino und San Giuliano Milanese (Italien), Tianjin und Shenzhen (China) sowie Hoffman Estates (USA).

Produktiver umsetzen

Technologische Grundlage für die Erfüllung der hohen normativen Vorgaben sind eine leistungsfähige Optik mit LED-Licht sowie die robuste Auslegung des Schutzsystems, das unempfindlich gegenüber Reflexionen sowie Fremd- bzw. Streulicht ist. Selbst Vibrationen und Temperaturschwankungen können dem kamerabasierten System nichts anhaben. »Wie bereits beim Vorgängersystem sind auch bei ›PSENvip 2‹ Installation, Konfiguration und Inbetriebnahme ganz einfach direkt über ein Webinterface machbar«, ergänzt Trautvetter. In den Abkantpressen von Bystronic überwacht das System mit einem vorauseilenden Messfeld den kompletten Abkantprozess – zur schnellen Erkennung von beispielsweise Hand oder Fingern im unmittelbaren Arbeitsbereich.

Die kamerabasierten Schutzsysteme »PSENvip« sind mitfahrende Schutzeinrichtungen. Sie überwachen optisch den gesamten Abkantprozess. Installiert an der Oberwange erkennen sie selbst kleinste Fremdkörper im Schutzfeld zwischen Sende- und Empfängereinheit (Bild: Pilz).

Das System »sieht« selbst kleinste Fremdkörper und Unregelmäßigkeiten im Schutzfeld zwischen Sende- und Empfängereinheit. Anstelle einer Laserlichtquelle begnügt sich die wartungsarme, LED-basierte Lösung mit einem einfachen Anstrahlen des Empfängers entlang des Oberwerkzeugs. Da Platz meist knapp ist, wurde die Größe des Empfängermoduls auf rund die Hälfte reduziert. Im Verbund mit dem Automatisierungssystem »PSS 4000« garantiert die integrierte »Fast Analysis Unit« Abschaltzeiten von unter einer Millisekunde und kürzeste Nachlaufwege des Abkantwerkzeugs. Selbst bei sehr hohen Geschwindigkeiten ist die Abkantpresse damit sicher.

»Mit dem Einsatz des kamerabasierten Schutzsystems ›PSENvip 2‹ und dem Automatisierungssystem ›PSS 4000‹ haben wir unsere Abkantpressen nachweislich um rund 20 Prozent produktiver gemacht«, sagt Trautvetter. »Im Vergleich zu Modellen mit vergleichbarer Presskraft sind unsere Pressen reaktionsschneller und leistungsfähiger.« Wesentlicher Grund dafür ist der hohe Bedienkomfort – das Bedienpersonal nimmt die dezent im Hintergrund wirkende Sicherheitslösung in der Praxis kaum wahr.

Technik für schnelle Prozesse

»Das von Pilz neu entwickelte und in dieser Art einzigartige Modul zur Biegewinkelmessung, das sich ganz einfach in das kamerabasierte Schutzsystem integrieren lässt, kam genau zur richtigen Zeit«, stellt Trautvetter fest.

Mit dem Modul zur Biegewinkelmessung werden verwertbare Bilddaten vom kamerabasierten Schutzsystem »PSENvip 2« direkt an die Pressensteuerung weitergeleitet und dadurch ein effizienter Abkantprozess gewährleistet. Sowohl die aufwendige Messung der Winkel per Hand als auch teure Wegmesssysteme entfallen (Bild: Pilz).

Es ist gerade bei kleinen Abkantpressen mit kurzen Abkantlängen und null Spielraum für zu installierende Messeinrichtungen von Vorteil. Die über das seitlich der Oberwange installierte Kamerasystem ermittelten Messdaten zur Biegekontur des Blechs werden über das Biegewinkelmodul ausgewertet und über eine Standardschnittstelle der Maschinenvisualisierung zur Verfügung gestellt. Dem Bedienpersonal wird der Biegewinkelwert direkt beim Abkanten auf der Bedienoberfläche angezeigt. Dies ermöglicht eine schnelle und effiziente Kontrolle des erzielten Biegewinkels.

Einen faktischen Beitrag zur Produktivitätssteigerung leistet auch das dynamische Muting: Bei konventionellen Muting-Verfahren fährt das Oberwerkzeug auf den letzten Millimetern durchgängig mit der zulässigen sicheren Geschwindigkeit von zehn Millimetern pro Sekunde. Beim dynamischen Muting des Schutzsystems in Kombination mit der »Fast Analysis Unit« reduziert das Oberwerkzeug seine Geschwindigkeit dynamisch von anfänglich 300 Millimetern pro Sekunde über eine »Langsam-Fahrstrecke« bis auf ein Minimum. Erst auf dem letzten Millimeter vor dem Kontakt mit dem Werkstück geht das Abkantwerkzeug auf Low Speed. Die Umsetzung erfolgt über das kamerabasierte, dynamische Schutzfeld des Schutz- und Messsystems, das mit Beginn des Muting-Modus aktiviert und nachfolgend kontinuierlich verkleinert wird. Die so ausgebildete »sichere Bremsrampe« sorgt letztlich dafür, dass die Geschwindigkeit abnimmt. Der Vorteil dabei ist, dass die Presse die einzelnen Hübe sehr viel schneller ausführen kann.

Karsten Trautvetter fasst zusammen: »Das kamerabasierte Schutz- und Messsystem ›PSENvip 2‹ trägt in Kombination mit dem Automatisierungssystem ›PSS 4000‹ von Pilz maßgeblich dazu bei, dass unsere Kunden Abkantpressen von Bystronic wertschätzen. Die Integration der Biegewinkelmessung wird unsere kompakten Biegemaschinen mit Sicherheit noch gefragter machen.«