Sonderleitung für Rohrpostsysteme
elektrische Komponenten
Medien und Technologien kommen und gehen. So blicken Kinder der 90er-Jahre gerne auf die Kassette zurück, der Plattenspieler löste das Grammofon ab und so manch einer stolpert beim Umzug über das ausrangierte Modem. Eine neu eingeführte Technologie löst eine alte ab, könnte man meinen. Doch auch vermeintlich alte Technologie kann Jahrhunderte überdauern. Das zeigt sich beim Unternehmen aerocom aus Schwäbisch Gmünd, das erfolgreich seit Jahren Rohrpostanlagen herstellt und vertreibt – mit Sonderleitungslösungen von Lapp.

Die eigens für aerocom entwickelte Sonderleitung wird am Rohrsystem der Rohrpostanlagen entlang verlegt. (Bild: Lapp)
Die Geschichte der Rohrpost geht bis in die Mitte des 19. Jahrhunderts zurück, als der englische Ingenieur Josiah Latimer Clark die erste funktionierende Rohrpostanlage baute, um Telegramme innerhalb der Londoner Börse zu transportieren. In Deutschland führte Heinrich von Stephan, späterer Generalpostdirektor des ehemaligen Deutschen Reiches, das System zur Beförderung von Nachrichten und Gegenständen ein. Die Pionieranlage wurde am 1. Dezember 1865 in Berlin in Betrieb genommen und verband über eine Strecke von etwa einem Kilometer Länge das Haupttelegrafenamt mit der Börse.
Über die Jahre und Jahrzehnte wurden die Rohrpostnetze mit stellenweise mehreren Hundert Kilometern immer länger und ausgeklügelter. Insbesondere in den großen Städten wie Paris, Wien und New York kamen sie zum Einsatz, um kleinere Gegenstände, Briefe und Informationen auf schnellem und sicherem Weg für Telegrafenämter, Banken, Ministerien und Zeitungsredaktionen zu versenden.
Anlagen überdauern die Zeit
»Heute kennen die meisten Menschen die Rohrpost aus dem Krankenhausbetrieb, zum Beispiel für den schnellen Versand von Blutproben ins Labor oder Blutkonserven direkt in den Operationssaal«, erklärt Jürgen Wörle, Sales & Marketing Manager bei aerocom. »Das ist auch korrekt, aber sie ist darüber hinaus beispielsweise auch in Industrieanlagen, Supermärkten, Apotheken, Banken und großen Firmen im Einsatz.« Das Unternehmen mit Sitz in Schwäbisch Gmünd produziert und vertreibt seit 1956 Rohrpostanlagen für ganz unterschiedliche Kunden. An dem Grundprinzip, wie die Büchsen durch die Rohre geschickt werden, hat sich sowohl über die Jahre seit der Firmengründung als auch seit der Erfindung des Rohrpostsystems nicht viel verändert.
Die Anlagen bestehen aus einem System aus Kunststoff- oder Metallröhren, in denen zylindrische Behälter, die sogenannten Büchsen, transportiert werden. Dabei verfügt das System über verschiedene Einwurf- oder Entnahmestellen inklusive Klappen oder Schleusen, die angesteuert werden können. Über eine Steuerzentrale kann die Luftströmung reguliert und die Büchse zur jeweils richtigen Station geleitet werden. Bewegt wird das Transportgut mittels Druck- oder Sogluft, die die Büchse mit einer Geschwindigkeit von circa sechs bis zehn Metern pro Sekunde durch die Rohre schiebt oder durch ein Vakuum, das die Behälter vom Zielpunkt aus ansaugt. Automatische Weichen und eine ausgeklügelte elektronische Steuerung leiten die Büchsen dabei an die richtigen Zielstationen.

Die eigens für aerocom entwickelte Sonderleitung wird am Rohrsystem der Rohrpostanlagen entlang verlegt. (Bild: Lapp)
Sichere Beförderungssysteme
»Wir haben unterschiedliche Kundensparten«, erzählt Wörle. »Zum einen Kunden, die die Rohrpost nutzen, weil sie besonders schnell, sicher und zuverlässig ist und zum anderen Sonderprojekte, die unsere Anlagen quasi zu Kunstwerken machen.« Zur ersten Gruppe gehören etwa Tankstellen, die Bargeld nach dem Bezahlvorgang sicher und unauffällig in den hauseigenen Tresor senden, sodass Überfälle hinfällig sind. Auch Stahlwerke, die heiße Stahlproben in Alu- oder Edelstahlbüchsen schnell in Labore versenden, um gegebenenfalls Mischverhältnisse anzupassen und so wenig Produktionszeit wie möglich zu verlieren, gehören zu den Anwendern. Zur zweiten Gruppe zählt etwa eine Installation im Münchner Patentamt oder auch ein Kreuzfahrtschiff, das seine Rutschenanlage mit einem Rohrpostsystem ergänzt hat, um Brillen, die beim Rutschen getragen werden, wieder zum Rutscheneinstieg zurückzubefördern.
Doch wie konnte die Technologie die vielen neuen Kommunikationsmöglichkeiten, die seit ihrer Erfindung hinzukamen, überleben? »Das liegt an der Art und Weise des Transports«, weiß Wörle. »In Krankenhäusern, in denen vieles zeitkritisch ist, ist sie schlicht und einfach die schnellste Option, um etwas von A nach B zu befördern. Darüber hinaus ist sie zuverlässig, sicher, günstig und extrem langlebig.«
Beim Versand mit der Rohrpost können Daten nicht einfach abgegriffen werden, wie es bei digitalen Informationen möglich sein kann, beispielsweise durch Hacking. Die einfache, aber intelligente Technologie hinter dem System macht den Menschen zum größten und beinahe einzigen Risikofaktor.
Für den Betrieb wird vergleichsweise wenig Strom benötigt, die Anlagen bedürfen wenig Wartung und sowohl Büchsen als auch Rohrsysteme weisen erst nach längerer Zeit Anzeichen von Verschleiß auf. »Sie reinigen sich sogar quasi selbst«, so Wörle. Jede Büchse ist mit Büchsenringen aus einem weichen Flauschbelag ähnlich dem Material eines Klettverschlusses versehen, die zur Reibungsminderung im Rohrsystem und zur Abdichtung für die bestmögliche Nutzung der Luftströmung genutzt werden. Gleichzeitig »fegen« sie bei jedem Versand manuell durch das Rohrsystem und halten es staubfrei. So bleiben Rohrpostanlagen nach wie vor beliebt und werden von überall aus der Welt in Schwäbisch Gmünd angefragt.
Aus zwei mach eins
Was sich über die Lebenszeit der Rohrpost jedoch verändert hat, sind die Datenmengen, die für die Steuerung der immer komplexer gewordenen Systeme anfallen. So benötigen die Anlagen neben einer zuverlässigen Energieversorgung auch eine Steuerleitung, über die alle Daten sicher und schnell übermittelt werden können. Ein Knackpunkt bei den Rohrpostanlagen: »Es wäre sehr schwierig, bei der Montage der Systeme zwei Kabel zu verlegen«, so Wörle. »Daher brauchten wir eine Sonderleitung, die beides vereint – Strom und Daten – und uns bei der Installation Platz und sehr viel Zeit spart.«
Die Lösung fand aerocom schließlich bei Lapp. Der Anbieter von integrierten Lösungen im Bereich der Kabel- und Verbindungstechnologie entwickelte für den Kunden eine Spezialanfertigung. Die kundenspezifische Lösung vereint Energieversorgung und Datenübertragung platzsparend und mit zwei verschiedenen Spannungen in einem Kabel. Damit das technisch sicher ist, bedarf es einer entsprechenden Isolation.
»Das Kabel läuft an den Rohren der Rohrpost entlang«, erklärt Wörle. »Die 24 Volt des Kabels versorgen in der Regel alle Geräte und Weichen des Systems mit Energie, sodass die Entnahmestationen keinen zusätzlichen Netzanschluss benötigen.«
Von Lapp bezieht das Unternehmen zwei Ausführungen der Sonderleitung: In vielen Fällen kann eine Leitung mit PVC-Mantel eingesetzt werden, in Bereichen mit hohen Sicherheitsanforderungen an den Brandschutz, etwa in Krankenhäusern oder öffentlichen Gebäuden, greift der Anlagenhersteller auf eine halogenfreie Variante zurück. Da auf die genauen Produkteigenschaften der Sonderleitung großer Wert gelegt wird, darf ein anderes Kabel von Partnern von aerocom nicht für die Rohrpostanlagen verwendet werden.
Tüftler unter sich
»Als schwäbische Tüftlerunternehmen passen Lapp und aerocom einfach zusammen«, fasst Wörle die rund 15-jährige Partnerschaft der beiden Unternehmen zusammen. »Wir vertreiben ein hochwertiges Produkt und arbeiten deswegen gerne mit hochwertigen Partnern aus der Region zusammen. Die Nähe macht eine gute Zusammenarbeit viel einfacher.« So sei man auch gemeinsam durch schwierigere Zeiten gegangen. »Die Zusammenarbeit war dabei immer geprägt von einer Kommunikation auf Augenhöhe und gegenseitigem Verständnis.«
Und so soll die Zusammenarbeit auch noch viele Jahre weiter bestehen und die Sonderleitung sogar weiterentwickelt werden. »Mit unseren Anlagen sind wir immer am Zahn der Zeit und brauchen deswegen auch Komponenten, die das mittragen«, erklärt Wörle die Überlegung.
So sind alle Anlagen heute zentral rechnergesteuert. Bei besonders großen Projekten wie im Heidelberger Uniklinikum werden pro Tag 4000 Büchsen über 35 Kilometer Rohre an rund 190 Stationen auf dem Gelände versandt. »All das generiert eine riesige Menge an Daten, welche gegen elektromagnetische Störeinflüsse geschützt werden müssen.« Eine Herausforderung, für die Lapp auch weiterhin gerne an der Seite von aerocom steht.