Hybride Fertigung mit 3D-Metalldruck und CNC-Nachbearbeitung

Artikel vom 16. Januar 2025
Software für die digitale Fabrik

Mit den Chancen und Risiken additiver Fertigungsverfahren setzen sich Unternehmer und Führungskräfte seit Jahren intensiv auseinander. Soll man zeitnah mit eventuell höherem Risiko einsteigen und sich als Early Adopter einen Wissens- und Technologievorsprung sichern oder doch noch zuwarten, ob irgendwann verbesserte Technologien günstiger verfügbar sind? Ein fortwährendes Dilemma, denn eines ist sicher: In fünf Jahren sind wir alle klüger.

Bei BAK Kohler Medical integriert sich das 3D-Druck-Shop-System für die Serienproduktion von Bauteilen beinahe nahtlos in den Fertigungsprozess (Bild: SolidCAM).

Bei BAK Kohler Medical integriert sich das 3D-Druck-Shop-System für die Serienproduktion von Bauteilen beinahe nahtlos in den Fertigungsprozess (Bild: SolidCAM).

Das weiß auch Andreas Kohler, Geschäftsführer der BAK Kohler Medical KG in Neuhausen ob Eck bei Tuttlingen. Der Betrieb fertigt mit fünfundzwanzig Mitarbeitenden eine Vielzahl an medizinischen Instrumenten und Artikeln mit hoher Fertigungstiefe, meist auf 5-achsigen Bearbeitungszentren und CNC-Langdrehmaschinen.

Einstieg in den 3D-Metalldruck

Andreas Kohler selbst ist ein klassischer Unternehmertyp, der seit 35 Jahren stetig Chancen auslotet und Risiken abwägt. So auch, als ihm die SolidCAM Additive GmbH Anfang 2023 neue additive Drucksysteme von Desktop Metall für den 3D-Metalldruck präsentierte.

Die SolidCAM Additive GmbH wurde 2022 aus der SolidCAM GmbH heraus gegründet. Ziel war und ist es, Fertigungsunternehmen unter dem Begriff hybride Fertigung innovative Lösungen für die additive Produktion und eine effiziente CNC-Nachbearbeitung zur Verfügung zu stellen. Die Software »SolidCAM« deckt als integriertes CAM-System für »Solidworks«, »Solid Edge« und »Inventor« die komplette Palette an CNC-Technologien für die zerspanende Fertigung ab.

Die notwendigen CNC-Programme für die spanende Nachbearbeitung von Funktionsflächen und Passungen … (Bild: SolidCAM).

Die notwendigen CNC-Programme für die spanende Nachbearbeitung von Funktionsflächen und Passungen …

… lassen sich dank der durchgängigen Datenbasis schnell mit »SolidCAM« erstellen.

… lassen sich dank der durchgängigen Datenbasis schnell mit »SolidCAM« erstellen.

Diese reicht von 2,5D-Fräsen über die 3D-HSM-Bearbeitung bis hin zur simultanen 5-achsigen Fräsbearbeitung.

Die sehr effiziente und exklusiv bei SolidCAM verfügbare »iMachining«-Frästechnologie eignet sich besonders für anspruchsvolle Materialien und kleine Werkzeuge. Die einfache CAM-Programmierung mehrkanaliger Bearbeitungszentren und CNC-Langdrehmaschinen ist ein Hauptgrund dafür, dass viele Firmen in der Medizintechnik seit vielen Jahren mit dem Software-Unternehmen aus Schramberg zusammenarbeiten.

Integriertes Shop-System

Nach erfolgreichen Benchmarks im Schramberger Technologiezentrum entschied sich BAK Kohler Ende 2023 für die Anschaffung eines Shop-Systems von Desktop Metal. Das System wurde mit Blick auf die moderne Fertigungsumgebung entwickelt und lässt sich nahtlos in den Produktionsprozess einfügen.

In der »Live-Builder«-Software von Desktop Metal können die verschiedenen Wechseleinsätze platziert werden (Bild: SolidCAM).

In der »Live-Builder«-Software von Desktop Metal können die verschiedenen Wechseleinsätze platziert werden (Bild: SolidCAM).

Kleine, nachbearbeitungsfreie Metallbauteile lassen sich kostengünstig sowie mit hoher Geschwindigkeit und Produktivität drucken. Das System arbeitet mit der sogenannten Binder-Jetting-Technologie, bei der das Metallpulver schichtweise über einen Kleber, den Binder, gebunden und im Anschluss durch Hitze aktiviert wird, bevor die gedruckten Bauteile entpulvert und anschließend in einem Ofen gesintert werden. Der Vorteil dabei ist, dass viele, auch unterschiedlich geformte Bauteile in einem einzigen Druckvorgang hergestellt werden können.

Der ganze Vorgang − vom Einlesen der Bauteile über die Befüllung des Pulverkastens bis hin zur Kalibrierung des Druckkopfes und dem eigentlichen Druck − läuft dabei softwaregestützt nahezu vollautomatisch ab. Die Oberflächengüte und Maßhaltigkeit der Endprodukte sind gut, in Teilbereichen bedarf es jedoch einer spanenden Nachbearbeitung der Werkstücke.

Fertigungskapazität geschaffen

Am Beispiel einer Zahnextraktionszange für Pferde (molare Zahnzange) aus dem veterinärmedizinischen Portfolio von BAK Kohler lassen sich die wesentlichen Vorteile für den Einsatz des 3D-Metalldruckverfahrens verdeutlichen. Je nach Modell verfügt die Zange über ein verschweißtes Arbeitsende oder über bis zu fünf auswechselbare und über eine Madenschraube fixierbare Wechseleinsätze aus Edelstahl. Bisher wurde jeder einzelne Wechseleinsatz der Jahresproduktion von 1000 Stück auf einem 5-Achs-Bearbeitungszentrum in etwa 25 Minuten aus dem Vollen gefräst.

Bei den gedruckten Bauteilen entfällt die Schrupp- und Grobschlichtbearbeitung komplett und damit ein Großteil der Werkzeugkosten. Die Teile sind jetzt in acht Minuten fertig bearbeitet. In Summe schaufeln die gedruckten Wechseleinsätze der Zange alleine bei BAK Kohler über 280 Stunden an dringend benötigter Maschinen-, Personal- und Fertigungskapazität frei.

Potenziale analysieren

Grundlegend sind bei der Evaluierung und Implementierung neuer Technologien wie dem 3D-Druck nicht nur die offensichtlichen Effekte zu betrachten. Die Ergänzung bzw. Substitution vorhandener Fertigungsverfahren und Prozesse birgt häufig Potenziale in Bereichen, die nicht auf den ersten Blick sichtbar werden, aber unter anderem über folgende Fragestellungen analysiert werden können: Lassen sich zukünftig kleinere, energieeffizientere Bearbeitungszentren mit geringerem Platzbedarf einsetzen? Wie hoch sind die möglichen Einsparungen bei den Werkzeug- und Personalkosten? Lassen sich neue Varianten in kleineren Stückzahlen schneller auftragsbezogen fertigen?

Bei dem Neuhausener Betrieb werden mit der Erfahrung aus zahlreichen, erfolgreichen Versuchen zukünftig viele weitere Produkte auf die Herstellbarkeit mittels 3D-Druck geprüft, so die Aussage von Andreas Kohler. Darüber hinaus ist geplant, die neu erworbene additive Kompetenz als Auftragsfertiger auch anderen Unternehmen anzubieten.

Die Beratung und Unterstützung durch die SolidCAM Additive GmbH beschreibt Kohler als durchweg positiv und freundschaftlich. Als Pluspunkt sieht er neben der räumlichen Nähe, dass die Mitarbeitenden dort einerseits über einschlägige CNC-Fertigungserfahrung verfügen, andererseits aber auch das entsprechende Know-how im 3D-Druck mitbringen sowie ein breites Portfolio an 3D-Druckern für Metalle und Kunststoffe im Programm haben.

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