Kupfer kühlt im Kleinen
CNC-gesteuerte Fräsmaschinen
Kürzere Zykluszeiten und stabilere Prozesse: Für Präzisionswerkzeugbauer Alhorn ist die neuartige additive Technologie der Hermle Maschinenbau GmbH in jeder Hinsicht ein Gewinn. Das Unternehmen bietet damit eine Dienstleistung der generativen Art, die der Werkzeugbauer immer dann nutzt, wenn klassische Kühltechnologien keinen Platz mehr finden.

Alhorn baut hochkavitätige Werkzeuge mit sehr engen Toleranzen für stabile Spritzgießprozesse. Der Formkern des Spritzgießwerkzeugs beinhaltet – von außen nicht sichtbar – an engen Stellen Kupferelemente, um die Wärme zügig zum nächsten Kühlkanal abzuleiten (Bild: Hermle).
Was neue Technologien betrifft, ist die Werkzeugbau-Branche an sich konservativ. Schließlich müssen Werkzeugbauer garantieren, dass die Werkzeuge zuverlässig Millionen von Bauteilen produzieren. Sich auf eine neue Technologie einzulassen, sehen manche daher als Wagnis.
Die Alhorn GmbH & Co. KG aus Lübbecke sieht das anders. »Für uns war es kein Risiko, sondern ein Gewinn«, erklärt Jörg Brammeier. Wovon der Entwicklungsleiter spricht, ist das Metall-Pulver-Auftrag-Verfahren (MPA) der Hermle Maschinenbau GmbH (HMG). Vor rund vier Jahren entdeckte Brammeier auf der Fakuma den Stand der Hermle-Tochtergesellschaft und informierte sich über das innovative additive Fertigungsverfahren, das Metallpulver mit Überschallgeschwindigkeit auf ein Halbzeug aufträgt – und somit verschiedene Metalle in einem Bauteil kombinieren oder konturnahe Kühlkanäle fertigen kann.
HMG bietet das thermische Spritzverfahren als Dienstleistung an und hat dafür das 5-Achs-Bearbeitungszentrum »C 42 U« um die Technologie zum Materialaufbau erweitert. Hieraus entstand die Maschine »MPA 42«, die generative Fertigung mit Fräsen vereint und damit neue Wege bei der Herstellung großvolumiger Bauteile aus Metall geht, beispielsweise für Spritzgießformen.

Alhorn vertraut auch beim Fräsen auf Hermle, wie der Blick in die Zerspanungsabteilung zeigt (Bild: Hermle).
Großes Potenzial für den Werkzeug- und Formenbau hat die Option, Kupfer selbst an dünnen Stellen mit Werkzeugstahl umschließen zu können. Das sieht auch das Entwicklungsteam bei Alhorn so, wie Sascha Soldato, Continuous Improvement Manager, und Konstrukteur Waldemar Löwen erläutern: »Das Verfahren ist interessant, weil ich die Wärme wirklich von jedem Hotspot – unabhängig von seiner Lage, der Werkzeuggeometrie oder der -dimension – ableiten kann. So temperiere ich schnell Bereiche, die für andere Medien unerreichbar sind.« Dabei muss das Kupfer nur bis zum nächsten Kühlkanal gehen, der dann dank ausreichenden Durchmessers die Wärme zügig aus dem Werkzeug leitet.
Das ist für Alhorn wichtig. Der Präzisionsformenbauer und Fertiger von Spritzgießteilen baut seit mehr als 40 Jahren erfolgreich hochkavitätige Werkzeuge mit sehr engen Toleranzen für stabile Prozesse. Seit 2014 ist das Unternehmen Mitglied der OKE-Gruppe, einem Verbund von 15 eigenständigen Firmen, die unter anderem im Bereich Kunststoffspritzguss und -extrusion tätig sind. Aktuell hat das Unternehmen rund 250 Mitarbeitende.
Optimiertes Temperieren
Etwa 60 Spritzgießwerkzeuge fertigt der Betrieb pro Jahr. Zum Einsatz kommen diese sowohl für externe Kunden als auch für die eigene Spritzgießfertigung, so auch in diesem Fall: Brammeier nimmt ein opalweißes Gehäuse in die Hand. Es wird später in einer Autotür verbaut und beherbergt das Getriebe für einen Fensterheber. Alhorn hat die Formen dafür entwickelt und fertigt nun auf zwei seiner 90 Spritzgießmaschinen die Gehäuse.
»Die Simulation zeigte an einer Stelle der Kavität einen Hotspot, den wir mit herkömmlichen Methoden nicht verhindern konnten. Wir hätten das Kunststoffteil länger auskühlen lassen müssen, um Ausschuss durch instabile Maße oder Verzüge im Nachgang zu vermeiden. Das hätte im Endeffekt das Bauteil teurer gemacht und unsere Wettbewerbsfähigkeit gemindert«, erklärt Brammeier.
Alhorn wandte sich an HMG, wo man sich die CAD-Daten anschaute und die Positionierung der Kupferschicht überprüfte bzw. optimierte. Auf Basis der CAD-Daten wurde dann ein Halbfertigteil produziert, das der Werkzeugbauer intern final bearbeitete – je nach späterer Kontur mittels Hartfräsen, Draht- oder Senkerodieren. »Das Know-how, was die Konturierung an den Bauteilen angeht, bleibt bei uns. Dennoch profitieren wir von der optimierten Temperierung«, erläutert Soldato.
Werner Gebhart, Vertrieb HMG, verdeutlicht: »Wir sind dafür verantwortlich, dass das Kupfer genau an der richtigen Stelle sitzt. Besonders bei sehr dünnen Teilen würde ein Versatz um nur ein Zehntel einen extremen thermischen Unterschied bedeuten. Indem wir Taschen, in die das Kupfer hineinkommt, vorher auf der Maschine mit einer Genauigkeit von einem Hundertstel fräsen, passt aber alles.« Darauf muss sich der Kunde verlassen können, denn das, was in dem Halbzeug versteckt ist, kann im Grunde niemand sehen. Daher legte der Werkzeugbauer vorher Referenzen am Rohteil fest. Anhand dieser konnte HMG das Halbzeug generativ und der Werkzeugbauer anschließend final bearbeiten.

Entwicklungsleiter Jörg Brammeier ist vom Mehrwert der MPA-Technologie überzeugt – trotz höherem Kostenfaktor (Bild: Hermle).
Automatisierte Fertigung
Den Einsatz der Form und des Kerns mit dem besonderen Innenleben zeigt Jörg Brammeier dann live in der modernen Spritzgießfertigung. Hier werden auf mehreren Drehteller-Spritzgießmaschinen auf Werkzeugen mit jeweils einem Oberteil und zwei Unterteilen die komplexen Gehäuse gefertigt.

Die Fertigung der mit Kontakten und einer Achse bestückten Gehäuseteile ist automatisiert (Bild: Hermle).
Integriert in die Fertigung ist eine Automation, die mit mehreren 6-Achs-Robotern, Vorrichtungen und Stanzbiegewerkzeugen Kontakte vorbereitet und positionsgenau in die Spritzgießwerkzeuge zum Umspritzen platziert. Anschließend durchlaufen die fertig gespritzten Bauteile diverse optische und elektrische Vollprüfungen. Dabei belegt die geringe Ausschussquote, wie exakt die einzelnen Schritte aufeinander abgestimmt sind und wie stabil der Prozess läuft.
»Ohne diese optimierten Temperierungen hätten wir die Bauteile in den geforderten Zykluszeiten und Qualitäten nicht herstellen können«, formuliert Brammeier den Nutzen deutlich. »Mit Hermle haben wir eine sehr gute, offene und partnerschaftliche Zusammenarbeit. Was das Fräsen angeht, sind wir immer sehr zufrieden, auch wegen des stets guten Services. Das Gleiche gilt auch für die Bauteile von HMG und die Zusammenarbeit mit den MPA-Experten«, ergänzt Soldato.