Neue Technologie bremst Störströme aus

Artikel vom 11. Januar 2024
elektrische Komponenten

Durch die zunehmende Vernetzung von Maschinen und Anlagen gewinnt auch das Thema elektromagnetische Verträglichkeit (EMV) immer mehr an Bedeutung. Besonders beim Einsatz Frequenzumrichter-gesteuerter Motoren kann es vermehrt zu unerwünschten Strömen auf den Potenzialausgleichsleitungen (PA) oder Schutzerdleitungen (PE) kommen. Ein neues Kabeldesign von Lapp vermindert zuverlässig Ableitströme und liefert einen entscheidenden Beitrag zu verbesserter EMV.

Typisches Spektrum von Ableitströmen gemessen auf Schutzerd- und Potenzialausgleichsleitungen (Bild: Lapp).

Typisches Spektrum von Ableitströmen gemessen auf Schutzerd- und Potenzialausgleichsleitungen (Bild: Lapp).

Die Ansteuerung von Elektromotoren mit Frequenzumrichtern bietet neben dem Vorteil der variablen Drehzahl auch deutliche Verbesserungen im Hinblick auf Energie- und Prozesseffizienz. Prinzipbedingt bilden sich aufgrund der Ansteuerung allerdings unerwünschte Nebeneffekte aus und es entstehen Ableitströme. Je mehr Komponenten beteiligt sind, desto größer ist das Risiko von solchen Störungen. Gleichzeitig werden die Bauräume in Maschinen und Anlagen immer kleiner.

Die Messkurve zeigt leitungsgeführte Störaussendung eines Frequenzumrichters gemäß DIN EN IEC 61800-3 und die Verbesserung beim Einsatz einer »zeroCM«-Servoleitung (Bild: Lapp).

Die Messkurve zeigt leitungsgeführte Störaussendung eines Frequenzumrichters gemäß DIN EN IEC 61800-3 und die Verbesserung beim Einsatz einer »zeroCM«-Servoleitung (Bild: Lapp).

Um teure Produktionsausfälle in der Smart Factory zu vermeiden, muss daher am besten schon während der Planungsphase das Thema EMV berücksichtigt werden.

Kabeldesign neu gedacht

Wie Störungen innerhalb von Verbindungslösungen nahezu eliminiert werden können, hat Lapp im Rahmen des PEPA-Forschungsprojekts des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz unter Beweis gestellt. An dem Projekt sind auch die Firmen SEW-Eurodrive, Block, Danfoss, Magnetec und die Technische Universität Darmstadt beteiligt. Hier führt der Stuttgarter Kabelhersteller das Arbeitspaket 4: Kopplungen zwischen benachbarten Leitungen sowie mit Anlagenteilen − Messungen und Optimierungen der Kabelkonstruktion. Dessen Ziel ist es, eine firmenübergreifende Forschung an einem komplexen Thema aus der Automatisierungs-/Antriebswelt zu forcieren, bei dem es insbesondere auf die korrekte Auswahl der Verbindungskomponenten sowie der deren fachgerechte Installation ankommt.

Gegenstand der Untersuchung war die Frage, warum es in Industrieanlagen, in denen Frequenzumrichter-gesteuerte Motoren eingesetzt werden, sehr oft zu unerwünschten Strömen auf den Potenzialausgleichsleitungen oder Schutzerdleitungen kommt. Durch die getaktete Ansteuerung (Pulsweitenmodulation) werden Störströme im Bereich von rund drei Kilohertz bis ein Megahertz angeregt, welche über Gehäuseteile, PA-/PE-Leiter/-Netze und im schlimmsten Fall über die Schirmung von Datenleitungen in Richtung Erdpotenzial bzw. zur Quelle abfließen. Hochfrequente Ausgleichströme mit einer Amplitude von zehn Ampere oder mehr sind hierbei keine Seltenheit. Die Folgen sind unzulässig hohe Ströme auf der Schutzerde und dadurch vermeintlich fehlerhaft auslösende FI-Schutzschalter (RCD) oder Beeinträchtigung der Datenkommunikation, wenn beispielsweise die Ausgleichsströme über den Kupferschirm einer Datenleitung fließen. Diese Fehler sind schwer zu finden, da sie keiner Systematik folgen. Lapp hat sich daher zum Ziel gesetzt, die physikalischen Kopplungsmechanismen innerhalb von Motoranschlussleitungen zu untersuchen und daraus eine neuartige Kabelkonstruktion abzuleiten. Das Ergebnis dieser Entwicklung ist die »zeroCM«-Technologie.

Kabeltechnik auf dem Prüfstand

Ursprung der Innovation war es, den Status quo in der Kabeltechnik auf den Prüfstand zu stellen. So waren bisherige Konstruktionen eher auf geringe Außendurchmesser und eine optische Symmetrie getrimmt, das Problem EMV wurde bis dato immer durch Schirmung gelöst. Lapp ging mit der »zeroCM«-Technologie einen anderen Weg: die Leitung ist vom visuellen Erscheinungsbild unsymmetrisch, jedoch wird 100-prozentige elektromagnetische Symmetrie erzielt. Letztendlich wird dadurch sogar weniger Schirmung benötigt.

Das Geheimnis ist eine spezielle Verseiltechnik: Drei Phasenleiter sind symmetrisch angeordnet und in einer Innenlage verseilt. Ergänzend wird mindestens ein Schutzleiter in einer Außenlage mit entgegengesetzter Verseilschlagrichtung um die drei Phasenleiter in einem bestimmten Schlaglängenverhältnis verseilt. Die Isolation der Leiter ist kapazitätsoptimiert und besteht aus Polyethylen, Polypropylen oder aus einer geschäumten Variante. Zwischen der Innenlage und der Außenlage befindet sich ein trennendes Fleece. Durch diese Konstruktion erreicht man bestmögliche elektrische Symmetrie, welche die magnetische Abstrahlung reduziert und die internen Kopplungen stark verringert. Die erste Prototypleitung mit neuem Kabeldesign ist die »Ölflex Servo FD zeroCM«. Sie ist speziell für den Einsatz in Verbindung mit Frequenzumrichtern geeignet.

Erfolgreicher Versuch

Die Wirksamkeit der neuartigen Leitung »Ölflex Servo FD zeroCM« wurde im Rahmen des PEPA-Forschungsprojekts durch Versuchsaufbauten bei den Projektpartnern bestätigt. Neben der Untersuchung einer EMV-optimierten Installation von Komponenten wurde unter anderem die Rolle der Ausgangsleitung bewertet. Zum Vergleich wurden ein identischer Versuchsaufbau mit einem Antriebssystem mit Potenzialausgleich sowie paralleler Signalleitung (Profinet) gewählt. Verglichen wurden eine geschirmte PVC-isolierte Standardleitung, eine niederkapazitive Servoleitung, eine symmetrische Motorleitung mit drei Schutzleitern sowie die neuartige Leitung mit optimiertem Aufbau. Dabei ergaben sich eindeutige Ergebnisse: Die besten Werte hinsichtlich Ableitstrom am Umrichterausgang wurden durch den kapazitätsarmen Aufbau der »zeroCM«-Leitung erreicht.

Ableitstrom (Effektivwert und Maximalpegel) gemessen am Frequenzumrichter-Ausgang bei einem 4-kW-Antrieb und 50 Meter Leitungslänge (Bild: Lapp).

Ableitstrom (Effektivwert und Maximalpegel) gemessen am Frequenzumrichter-Ausgang bei einem 4-kW-Antrieb und 50 Meter Leitungslänge (Bild: Lapp).

Die generierten Ableitströme stellen eine zusätzliche Belastung für den Frequenzumrichter und alle beteiligten Komponenten dar und sollten daher so gering wie möglich gehalten werden. Weiterhin wurde der über eine parallel liegende Signalleitung fließende Störstrom untersucht: Auch hier begünstigt der Einsatz der neuen Leitung die Ausprägung von möglichst geringen Störströmen. Aus den Untersuchungen bei den Projektpartnern ergaben sich darüber hinaus klare Empfehlungen für die EMV-optimierte Installation von Frequenzumrichtern, wie zum Beispiel ein niederimpedanter, HF-tauglicher und ein durchgängiger Potenzialausgleich zwischen Frequenzumrichter und Antrieb. Eine wesentliche Bedeutung kommt hierbei dem Schirmanschluss mit EMV-gerechten Steckern oder flächiger Schirmauflage wie zum Beispiel bei den eingesetzten EMV-Verschraubungen »Skintop Brush« zu.

Längere Kabellängen möglich

Zusammengefasst beseitigt die »zeroCM«-Technologie zwar nicht die Ursache von EMV-Störungen, adressiert jedoch genau eine der signifikanten Stellen, an der Störungen in das Systemumfeld eingebracht werden. Einerseits ermöglicht der neuartige Kabelaufbau um bis zu 80 Prozent reduzierte Ausgleichsströme am Frequenzumrichterausgang und auf parallelen Pfaden wie beispielsweise Datenleitungen. Andererseits sorgen reduzierte Kabel-Umladeströme (cable-charging current) für verringerte Last am und im Umrichter selbst: So können zum Beispiel längere Kabellängen verlegt werden, ohne dass der Frequenzumrichter außerhalb seiner (EMV-)Spezifikation betrieben wird. Zudem unterbindet die neue Technologie das Entstehen von Spannungspegeln auf dem Masse-/Erdpotenzial (Ground-Voltage) auf der Verbraucherseite. Dies ist besonders wichtig, wenn beispielsweise empfindliche Sensorik wie Analoggeber zum Einsatz kommen.

Obwohl die neue Leitung beim ersten Konfektionieren vielleicht ungewohnt erscheinen mag, bleibt die Verkabelung gewohnt einfach bzw. der Aufwand reduziert sich sogar im Vergleich zu den erdsymmetrischen Leitungen mit gedritteltem Schutzleiter. Ziel von Lapp ist es nun, ein Portfolio mit der neuen Technologie auszustatten; als nächstes sind Hybridleitungen dran.

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