Vorausschauende Wartung für die Datenleitung

Artikel vom 13. Oktober 2022
Industrial Ethernet

Ungeplante Maschinenstillstände können in der Smart Factory schlimme Folgen haben. Um das zu vermeiden, hat Lapp eine Lösung entwickelt, die in Ethernet-basierten Netzwerken der Automatisierungstechnik die Lebensdauer einer ausfallgefährdeten Datenleitung überwacht.

Das stationäre Überwachungsgerät wertet die aktuelle Leistungsfähigkeit einer Datenleitung aus und gibt sie in Prozent an. Der Kabelstatus kann abgelesen, über Web-Interface abgerufen oder über MQTT an die Steuerung übermittelt werden (Bild: Lapp).

Das stationäre Überwachungsgerät wertet die aktuelle Leistungsfähigkeit einer Datenleitung aus und gibt sie in Prozent an. Der Kabelstatus kann abgelesen, über Web-Interface abgerufen oder über MQTT an die Steuerung übermittelt werden (Bild: Lapp).

Bisher hatten Wartungstechniker nur zwei Alternativen: Handeln sie nach einem reaktiven Wartungsansatz, bei dem Teile erst ausgetauscht werden, wenn die Maschine bereits stillsteht, oder nach dem Ansatz der präventiven Wartung, bei der noch funktionsfähige Teile vorsorglich in bestimmten Zeitintervallen ersetzt werden. Dank Industrie 4.0 und Digitalisierung gibt es eine effizientere Alternative: die vorausschauende Wartung. Sie basiert auf Sensordaten, die während des Prozesses erfasst und ausgewertet werden und dabei Rückschlüsse auf die tatsächliche Alterung eines Teils zulassen. Das ist auch bei Verbindungssystemen wie Leitungen oder Steckverbindern möglich. Zwar halten Leitungen üblicherweise viele Jahre, aber bei hochdynamischen Bewegungen mit hohen Geschwindigkeiten und starker Torsion ist die Überwachung vorteilhaft und kostensparend, um unvorhergesehene Stillstände und somit eine Beeinträchtigung der Produktivität zu vermeiden.

Stationäres Überwachsungsgerät

Beim neuen »Etherline Guard« von Lapp handelt es sich um ein stationäres Überwachungsgerät, das die aktuelle Leistungsfähigkeit einer Datenleitung auswertet und in Prozent angibt. Grundlage dafür sind Daten, die über eine Sensorik aus den physikalischen Eigenschaften der Datenübertragung ermittelt werden.

Das Überwachungsgerät »Etherline Guard« ist mit und ohne Funkmodul erhältlich (Bild: Lapp).

Das Überwachungsgerät »Etherline Guard« ist mit und ohne Funkmodul erhältlich (Bild: Lapp).

Die Echtzeit-Zustandsanzeige ermöglicht es, die Verschleißgrenze einer Leitung zu erkennen und den besten Austauschzeitpunkt im Voraus zu planen.

Lapp empfiehlt das Überwachungsgerät vor allem für Datenleitungen gemäß Übertragungsstandard 100Base-TX (bis zu 100 Mbit/s) nach IEEE 802.3 wie »Etherline Torsion Cat. 5«, aber auch für Ethercat-, Ethernet/IP- und zweipaarige Profinet-Anwendungen wie »Etherline PN Cat. 5 FD«. Diese Leitungen sind häufig Teil von Schleppketten oder torsionsbehafteten Kabelführungen, wie sie in Roboterarmen vorkommen, und sind ständigem Stress ausgesetzt: Bewegungen mit hohen Geschwindigkeiten und Beschleunigungen, wechselnde Bewegungsabläufe, Rotationen mit axial sehr hohen Verdrehungswinkeln, schnelle Taktzeiten und kleine Biegeradien. »Etherline Guard« eignet sich aber auch für kritische Prozesse, bei denen im Falle eines Stillstands hohe bis extrem hohe Ausfallkosten oder sogar Personenschäden entstehen würden.

Zwei Ãœberwachungsoptionen

Das kompakte Überwachungsgerät ist für die Hutschienenmontage im Schaltschrank vorbereitet. Es wird mit 24 V DC betrieben, ist für einen Temperaturbereich von -40 bis +75 Grad Celsius vorgesehen und gemäß DIN EN 60529 vibrations- und schockfest. Eine einfach zu bedienende Set-Taste ist für das Aufrufen verschiedenster Funktionen wie Teach-in oder das Aktivieren des Accesspoints vorgesehen.

Als Überwachungsgerät wird »Etherline Guard« zwischen die kritische Anwendung bzw. der zu überwachenden Leitung und der Steuerungsseite in einen Datenleitungsknoten gesteckt. Dafür verfügt das Gerät über einen »Guard/Data-Port« für die zu überwachende Datenleitung mit RJ45-Stecker, die von der kritischen Anwendung zum Gerät führt, sowie über einen »Data-Port« für die Datenleitung mit RJ45-Stecker, die vom Gerät zur Steuerung führt. Über den Anschluss einer dritten Datenleitung an der LAN-Buchse (Variante »PM03T«) oder über die Verwendung des Antennenanschlusses für WiFi (Variante »PM02TWA«) ist die Übertragung der Wartungsdaten an eine übergeordnete Steuerung möglich. Beide Varianten können für die Cloud-Kommunikation mit MQTT konfiguriert werden. Der externe SMA-Antennenanschluss gewährleistet eine sichere Funkstrecke, wenn sich das Gerät beispielsweise im Schaltschrank befindet. Die Antenne wird dann einfach außerhalb montiert.

Das Gerät ist außerdem mit einem fünfpoligen Klemmterminal für Einzeladerverdrahtung ausgestattet. Auf dem Terminal finden sich Anschlüsse für die Spannungsversorgung, für die Verbindung der Funktionserdung (FE) und für die digitalen Ausgänge Q1 (Push-Pull-Schaltausgang) und Q2 (PWM-Ausgangssignal), welche zur Ausgabe des Kabelstatus dienen.

Einfache Diagnose

Neben den üblichen LEDs an jedem RJ45-Port befinden sich drei zentral angeordnete, mehrfarbige Diagnose-LEDs am Gerät: »Pwr« für Betriebsbereitschaft, »Status« für den Zustand der zu überwachenden Datenleitung und »Com« für Connect (LAN-Version) oder WiFi (WiFi-Version).

Die Entwickler von Lapp haben dabei ganz bewusst nur einfach gehaltene Diagnose- und Einstellmöglichkeiten am Gerät vorgesehen. Möchten Anwender auf darüberhinausgehende Einstellungen oder Funktionsparameter zugreifen oder sich über die grafische Verlaufshistorie des Kabelstatus informieren, bietet das Web-Interface einen einfachen und komfortablen Zugang. Hier finden sich zum Beispiel auch die Einstellungen für die Einbindung des Geräts in eine Steuerungsebene via MQTT.

Auch Retrofit ist möglich

Die Inbetriebnahme von »Etherline Guard« erfolgt mit einer automatisierten und selbstlernenden Parametrisierung (Teach-in) in wenigen Minuten. Gestartet wird einfach über Tastendruck oder über das Web-Interface. Für die Anwendung werden keine fabrikneuen Datenleitungen oder Änderungen am Kabeldesign benötigt. Das bedeutet, dass ein Retrofit in die bestehende Netzstruktur jederzeit möglich ist.

Dank kabelgebundener und WiFi-Variante sowie einem breiten Spektrum an diversen Anschlussmöglichkeiten können Anwender entscheiden, wie die benötigten Statusinformationen an die übergeordnete Prozessebene übertragen werden sollen. Am Gerät selbst kann der Kabelstatus an einer der rundum sichtbaren LEDs schnell erkannt werden. Die Art der Anzeige orientiert sich an einem Ampelsystem. Grün, wenn die Leitung funktioniert und sich innerhalb der Spezifikationen befindet; meldet das Web-Interface den gelben Bereich bzw. blinkt die Status-LED rot, sind bereits erste Verschleißerscheinungen eingetroffen und es besteht Handlungsbedarf. Hier sollte die Leitung zumindest geprüft werden und gegebenenfalls ein baldiger Austausch erfolgen. Leuchtet die LED dauerhaft rot, ist das Ende der Lebensdauer erreicht, spätestens jetzt ist die Datenübertragung eingeschränkt.

Schnelle Diagnose

Mit den speziell entwickelten Predictive-Maintenance-Algorithmen können Unregelmäßigkeiten in den analysierten Daten leicht erkannt werden. Die beiden digitalen Ausgänge Q1 und Q2 ermöglichen die Ausgabe des Kabelstatus als Schaltsignal oder als pulsweitenmoduliertes analoges Signal, wobei die Alarmschwelle für den Schaltausgang Q1 vom Anwender vorgegeben werden kann. Sowohl die LAN- als auch die WiFi-Variante können den Kabelstatus via MQTT ausgeben. So ist eine verlässliche IIoT-Kommunikation garantiert. Die Daten können ebenso per Nutzung des Accesspoints beispielsweise ganz einfach mit einem mobilen Endgerät ausgelesen werden. Weiterhin ist es möglich, sämtliche Daten über mehrere Jahre hinweg auf einer microSD-Karte zu speichern.

Die aktuelle Leistung der Datenleitung wird bei beiden Varianten in Prozent angegeben. Das Gerät berechnet kontinuierlich den Kabelzustand und schlägt Alarm, wenn die Leistung bzw. die Übertragungseigenschaften einer Leitung nachlassen und ein Ausfall drohen könnte. Die Alarmauslöseschwelle ist werkseitig auf 80 Prozent eingestellt, kann aber individuell zwischen 99 und 21 Prozent angepasst werden.

Ergebnisse von Pilotkunden

Lapp hat das Gerät sehr früh bei potenziellen Kunden vorgestellt. Im Zuge der Pilotprojekte konnte das Entwicklerteam einige wichtige Erkenntnisse gewinnen. Besonders spannend waren die Ergebnisse in Bezug auf den Alterungsprozess von Ethernet-Leitungen. Im Gegensatz zur allgemeinen Meinung, dass ein auftretender Drahtbruch im Kupferleiter das Ende der Lebensdauer einer dynamisch bewegten Datenleitung verursacht, kam heraus, dass in den meisten Fällen die Abnutzung und Veränderung in der Isolationsschicht Grund für die Verschlechterung der Übertragungseigenschaften von Datenleitungen ist.

Auch in Bezug auf das Kundenverhalten wurden wichtige Erkenntnisse gewonnen: Viele Maschinenbauer sind seitens des Einsatzes eines IIoT-fähigen Gerätes mit Funkverbindung eher zurückhaltend und bevorzugen eine verdrahtete Lösung statt einer funkgebundenen. Aus diesem Grund hat sich Lapp auch entschieden, eine Variante mit und eine ohne Funkmodul anzubieten.

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