Elektromobilität – neue Herausforderungen, neue Lösungen
Spezielle Werkzeuge
Elektromotoren und weitere Bestandteile elektrifizierter Fahrzeuge sind Komponenten, mit denen sich Hersteller von Fahrzeugen und ihre Zulieferer seit geraumer Zeit intensiv beschäftigen. Neu konstruierte Bauteile und ihre serienfähige Fertigung sind oftmals eine Herausforderung und erfordern aufgrund strenger Toleranzvorgaben das Knowhow von Spezialisten. Gemeinsam haben ein Maschinenhersteller und Werkzeuglieferant Mapal eine solche Herausforderung gemeistert und so die Fertigung eines neu konstruierten Statorgehäuses zur Serienreife gebracht.
Der Werkzeugmaschinenhersteller Heller,1894 in Nürtingen gegründet, entwickelt und produziert mit 2580 Mitarbeitern weltweit Werkzeugmaschinen und Fertigungssysteme für die spanende Bearbeitung. Das Produktprogramm umfasst 4- und 5-achsige Bearbeitungszentren, Fräs-Dreh-Zentren, Maschinen für die Kurbel- und Nockenwellenbearbeitung und flexible Fertigungssysteme sowie ein modulares Dienstleistungsangebot. Das Unternehmen erhielt im Jahr 2017 die Anfrage eines OEM, den kompletten Bearbeitungsprozess für ein neu konstruiertes Statorgehäuse inklusive Maschinen, Werkzeugen, Prozess, Vorrichtungen und allen korrespondierenden Daten auszulegen und anzubieten. Der Endkunde gab ein enges Zeitfenster vor. Die Anforderungen an das Bauteil waren sehr hoch, die Toleranzen sehr knapp bemessen. »Für alle Beteiligten war dieses spezielle Statorgehäuse ein völlig neues Bauteil«, erinnern sich Dietmar Stehle und Tobias Schur, die bei Heller in diesem Bereich für Vorrichtungen und Werkzeuge beziehungsweise für die Werkzeugkonstruktion verantwortlich sind.
Bereits bei der Angebotserstellung holte sich der Werkzeugmaschinenhersteller deshalb Mapal als Werkzeugspezialisten mit ins Boot. »Als es an die Umsetzung dieses Projekts ging, sind Dietmar Stehle und Tobias Schur zu einem sehr frühen Zeitpunkt auf uns zugekommen«, erinnert sich Norbert Meier, zuständiger Mapal-Außendienstmitarbeiter. Gerade bei neuen Bauteilen sei es ungemein wichtig, dass sich alle Beteiligten eng abstimmen, konkretisiert Stehle. Und so legten beide Unternehmen gemeinsam den kompletten Prozess für dieses neue Bauteil aus. Ein Vorteil dabei war die bereits jahrzehntelange Zusammenarbeit der beiden Unternehmen – ein eingespieltes Team ging ans Werk. Gemeinsam wurde die vorgeschlagene Werkzeugauslegung von Mapal untersucht, der Prozess geprüft. »Wir haben zusammen das bestmögliche Werkzeugkonzept für die Bearbeitung gefunden«, freut sich Norbert Meier. Und das unter immensem Zeitdruck: »Wir mussten in diesem Fall sehr schnell die ersten Prototypen liefern«, sagt Dietmar Stehle. Und das, obwohl parallel noch am Gießverfahren für das Bauteil gefeilt wurde.
Knackpunkt Statorbohrung
Die Bearbeitung der Hauptbohrung des Statorgehäuses – die Statorbohrung – kristallisierte sich als Knackpunkt der gesamten Fertigung heraus. Bei der prozesssicheren und wirtschaftlichen Feinbearbeitung von tiefen Bohrungen mit großen Durchmessern besitzt Mapal besonderes Knowhow. Der Werkzeughersteller, der eng mit der Automobilbranche verbunden ist, hat diese Kompetenz durch jahrzehntelange Erfahrung, unter anderem bei der Bearbeitung von Getriebegehäusen, gesammelt. »Wir haben unser Knowhow auf die Anforderungen, die die Statorbohrung stellt, übertragen«, betont Meier.
Für das gemeinsame Projekt setzt der Werkzeughersteller auf gewichtsarme und trotzdem sehr stabile Werkzeuge als Schweißkonstruktion, die besonders geeignet sind, um das dünnwandige Gehäuse zu bearbeiten. Trotz langer Auskraglängen und großem Durchmesser von über 250 Millimetern funktioniert das Werkzeug hochgenau. Bei den Schweißkonstruktionen dient eine Rohrkonstruktion als Grundkörper. Im Vergleich zu einer herkömmlichen Bohrstange wiegen die Werkzeuge nur die Hälfte. Die Träger der Schneiden und der Führungsleisten sind angeschweißt und stützen sich durch Verbindungsstege gegenseitig ab. Das minimiert die Gefahr des Ratterns. Zudem ist die Abstützung bei Schnittunterbrechungen gewährleistet. Das Biegewiderstandsmoment ist durch die Rohrkonstruktion und die Stabilisierungsrippen sehr gut.
»Wir haben die Bearbeitung der Hauptbohrung in drei Schritte unterteilt: Vorbearbeitung, Semi-Finishbearbeitung und Fertigbearbeitung«, erläutert Norbert Meier. Auf wenige Mikrometer genau wird die Hauptbohrung im letzten Schritt mit dem Feinbohrwerkzeug als Schweißkonstruktion bearbeitet. »Um höchste Genauigkeit zu erreichen, sind die PKD-bestückten Schneidplatten feinjustierbar«, sagt Meier. Für die bestmögliche Abstützung in der Bohrung ist das Werkzeug mit Führungsleisten ausgestattet.
Prozess erfolgreich in Serie
Wie für die Statorbohrung fanden die Experten von Heller und Mapal auch für alle anderen Bearbeitungen am neuen Statorgehäuse die entsprechende Lösung. »Dabei haben wir gemeinsam nicht nur nachgewiesen, dass die Komplettbearbeitung des Werkstücks in den vorgegebenen Toleranzen funktioniert, sondern auch, dass die Lösung eine prozesssichere Fertigung innerhalb der vorgegebenen Taktzeiten ermöglicht«, zeigt sich Dietmar Stehle zufrieden.
Beide Partner bestätigen, dass sie sich während des gemeinsamen Projekts nachhaltiges Knowhow erarbeitet haben. Entstanden sind beispielsweise komplett neue Werkzeuglösungen wie pendelgelagerte Werkzeuge, um die geforderten Lagetoleranzen durch eine notwendige Umschlagsbearbeitung des Bauteils zu erfüllen. In Summe legten die beiden Unternehmen den Prozess in der ersten Ausbaustufe perfekt für die Produktion aus – der Kunde fertigt heute fünfstellige Stückzahlen des Statorgehäuses in Serie.