Durchlaufzeiten auf ein Viertel reduziert

Artikel vom 17. Oktober 2023
Robotersysteme

Im Teisnacher Werk des Technologiekonzerns Rohde & Schwarz automatisiert ein Palettenhandhabungssystem der Liebherr-Verzahntechnik GmbH vier 5-Achs-Bearbeitungszentren. Damit gelang es nicht nur, eine hohe Teilevielfalt auf einer verketteten Fertigungsanlage zu integrieren, sondern vor allem die Durchlaufzeiten der Teile erheblich zu reduzieren.

Rüstplatz und Steuerung für das Bearbeitungszentrum (Bild: Liebherr).

Rüstplatz und Steuerung für das Bearbeitungszentrum (Bild: Liebherr).

Rohde & Schwarz entwickelt, fertigt und vertreibt eine breite Palette an elektronischen Investitionsgütern für Industrie, infrastrukturbetreibende und hoheitliche Kunden. Der Konzern gehört in vielen seiner Geschäftsfelder zu den führenden Unternehmen, zum Beispiel in der Mobilfunk- und Hochfrequenzmesstechnik, der Broadcast- und Medientechnik, der professionellen Funkkommunikationstechnik oder auf dem Gebiet der Cybersicherheit und Netzwerktechnik.

Das Werk Teisnach ist das Mechatronikzentrum im Unternehmensverbund. Hier entstehen unter anderem Gehäuse, Schirmteile, Antennen, Leiterplatten, mikromechanische Präzisionsteile sowie elektromechanische Sonderanfertigungen aller Art. Als Kompetenzzentrum für Sender und Systeme fertigt und liefert das Werk alle Rundfunksender, Sicherheitsscanner sowie auch kundenspezifische Funkkommunikationssysteme und erbringt den Service dafür.

5-Achs-Bearbeitung anspruchsvoller Aluminiumteile

Im Werk wird im Dreischichtbetrieb und – bei hoher Auslastung – in bis zu 19 Schichten pro Woche produziert. Für die Bearbeitung komplexer Bauteile aus Aluminium setzte das Werk auf vier 5-Achs-Bearbeitungszentren des CNC-Werkzeugmaschinenherstellers Heller aus Nürtingen, dessen Bearbeitungslösungen bereits vielfach im Unternehmen eingesetzt werden. Das leistungsstarke 5-Achs-Bearbeitungszentrum »HF 5500« mit der fünften Achse »im Werkstück« für das Horizontalfräsen bietet Platz für große Vorrichtungen und Werkstücke sowie weite Verfahrwege. Mit der Kombination aus robustem Maschinenbett, der horizontalen Spindel und einem NC-Schwenkrundtisch mit Gegenlager und AB-Kinematik mit hochdynamischen Torqueantrieben bearbeitet die Maschine die Werkstücke präzise und flexibel.

Automationslösung mit Palettenhandlingsystem

Um die Durchlaufzeiten der Bauteile mit hoher Teilevarianz in kleinen bis mittleren Losgrößen zu optimieren, sollten die vier Bearbeitungszentren automatisiert und über einen Leitrechner gesteuert werden.

Das Palettenhandhabungssystem automatisiert die vier 5-Achs-Bearbeitzungszentren (Bild: Liebherr).

Das Palettenhandhabungssystem automatisiert die vier 5-Achs-Bearbeitzungszentren (Bild: Liebherr).

Die größte Herausforderung dabei war die niedrige Deckenhöhe der Produktionshalle: Auf weniger als vier Meter Höhe mussten möglichst viele Speicherplätze untergebracht werden – ein Fall für das Palettenhandhabungssystem »PHS 1500 Allround« von Liebherr, das sich aufgrund seines modularen Konzepts bestmöglich an die Anforderungen und Platzverhältnisse des jeweiligen Unternehmens anpassen lässt. Aus diesem Grund – und aufgrund der guten Erfahrungen, die Heller mit Automationslösungen der Kemptener bereits gemacht hatte – schnürten die Partner ein passendes Gesamtpaket aus Maschinen und Palettenhandhabung.

Einfache Integration des Leitrechners

Ein weiteres Kriterium war, dass das bestehende Leitrechnersystem mit der Automation kompatibel sein sollte. Christian Heiler, zuständig für die Angebots- und Projektabwicklung von Automationen bei Heller, erinnert sich: »Die Definition der Schnittstellen und die Abstimmung dazu war ein wichtiger Teil der Angebotsphase. Der Kunde hatte bereits eine Anlage mit Soflex-Steuerung erfolgreich im Einsatz und wollte eine Automationslösung, die sich ohne weiteres integrieren lässt.«

Auch hier war Liebherr der geeignete Partner, denn Soflex ist einer der beiden Leitrechneranbieter, mit dem das Unternehmen bereits seit Jahren zusammenarbeitet. Die Software stellt den Überblick über alle Ressourcen sicher und ermöglicht die optimierte Planung der Fertigungsaufträge, zum Beispiel durch Priorisierung und Strategien auch für den personenlosen Automatikbetrieb.

Modulare und platzsparende Palettenhandhabung

Das Palettenhandhabungssystem »PHS Allround« ist ein platzsparendes, flexibles und erweiterbares Fertigungssystem, das Werkzeugmaschinen automatisch mit fertig gerüsteten Maschinenpaletten versorgt. Es reduziert Stillstandzeiten durch hauptzeitparalleles Rüsten und der Regalspeicher ermöglicht eine personenlose Fertigung über einen langen Zeitraum. Ein dreh- und schwenkbares Liftmodul erlaubt auch die Beladung schrägstehender Regale oder Maschinen. Bei der Entwicklung des Systems wurde speziell beachtet, dass es sich auch für niedrige Deckenhöhen eignet.

»Damit war das ›PHS 1500 Allround‹ für uns im Grunde maßgeschneidert. Das wäre mit anderen Systemen nur schwer umsetzbar gewesen«, erinnert sich Georg Kauschinger, Leiter der Horizontalbearbeitung bei Rohde & Schwarz. »Auf den ersten Blick war man selbst bei Liebherr skeptisch, ob das System in die Halle hineinpassen würde«, setzt er lachend hinzu.

Im Laufe des Jahres 2019 wurden nacheinander drei der vier Bearbeitungszentren von Heller in Betrieb genommen. Im Zuge der Lieferung der zweiten Maschine wurde auch die Palettenhandhabung installiert und die Maschinen erstmals automatisiert betrieben. Die vierte Maschine folgte 2020. Die Anlage besteht somit aus vier 5-Achs-Bearbeitungszentren und zwei Rüstplätzen, einer davon drehbar. Ein großzügiger Teilespeicher für 70 Maschinenpaletten auf drei Regalebenen sorgt für eine hohe Autonomie der Anlage. Die Maschinen müssen nicht ständig betreut werden, eine personenarme Fertigung ist möglich. Während bei Anlagen ohne PHS eine Person je Maschine und Schicht zum Bedienen benötigt wird, sind es bei den verketteten Maschinen deutlich weniger: Der Personaleinsatz ist laut Angabe des Automatisierers im Vergleich zu nicht verketteten Maschinen um rund 40 Prozent geringer.

Die Fertigungsaufträge werden jetzt mit Angaben zu Losgröße und Endfälligkeitsdatum über die ERP-Schnittstelle an die Leitsteuerung übertragen und müssen nicht mehr von Hand eingegeben werden. Auch die Werkzeugdaten werden jetzt mittels Data-Matrix-Code und eindeutiger ID automatisiert von der Werkzeugdatenverwaltung über den Leitrechner an die Maschine übermittelt. Es ist keine manuelle Eingabe von Werkzeugdaten an der Maschine mehr erforderlich. Durch die Anbindung an das ERP-System wurde die Fertigungssteuerung so optimiert, dass die Durchlaufzeit der Bauteile jetzt nur noch sechs bis acht Tage beträgt – anstatt wie zuvor 30 bis 35 Tage. Gleichzeitig verbesserten sich die Spindellaufzeiten um zehn Prozent.

Ein weiteres, wichtiges Kriterium für die Auswahl der Automationslösung war die schnelle Verfügbarkeit von Ersatzteilen. »Allerdings lief die Anlage bisher so reibungslos, dass wir den Service tatsächlich noch nicht in Anspruch nehmen mussten«, erzählt Kauschinger. »Zu Beginn haben wir für einige kleinere Probleme auf den Remote Support zurückgegriffen, der diese unkompliziert und innerhalb kürzester Zeit gelöst hat.«

Gute Zusammenarbeit im Projekt

»Das Wichtigste war, in jedem der beteiligten Unternehmen einen festen Ansprechpartner zu haben und jederzeit auf die Unterstützung der Anbieter zurückgreifen zu können«, betont Kauschinger. »Bei unseren Besuchen in Kempten wurden wir über alle Einzelheiten beraten und aufgeklärt und fühlten uns sehr gut informiert. Hier wurde für uns sichtbar, dass das Unternehmen Liebherr als bodenständiges Familienunternehmen ein verlässlicher Partner ist, der für soliden deutschen Maschinenbau steht.«

Erweiterung um automatisierten Rüstplatz

Perspektivisch soll die Anlage um einen automatisierten Rüstplatz ergänzt werden, der die Rohteile über einen Roboter ins System einschleust. Dabei wird auch eine Bin-Picking-Lösung in die Überlegungen einbezogen. »Aufgrund der Erfahrungen, die wir in diesem Projekt gewonnen haben, wäre Liebherr sicherlich die erste Wahl, den wir bezüglich einer weiteren Automationslösung ins Boot holen würden«, beschreibt Kauschinger das gewachsene Vertrauen.

Die Lösung konnte letzte Bedenken im Unternehmen gegenüber einer verketteten Anlage zerstreuen. Das Resümee von Georg Kauschinger fällt klar aus: »Die Anlage überzeugt auch als Showcase. Gerade Kennzahlen wie die Durchlaufzeiten sind echte Meilensteine. Der Erfolg des Projekts ist messbar.«

Teilen
PDF-Download
Weiterempfehlen
Drucken
Anzeige Hersteller aus dieser Kategorie