Verpackungsmaschinen effizient modularisieren

Artikel vom 13. Oktober 2022
Bildverarbeitungssysteme und Komponenten

Als sehr stark marketinggetriebene Branche brauchen die Produzenten von Nahrungs- und Genussmitteln immer mehr flexible und individuelle Maschinenlösungen, die schnell sowie kostengünstig entwickelt und gefertigt werden können. Hierbei helfen modulare Maschinenkonzepte, die flexibel auf die Produkt- und Formatvielfalt zugeschnitten werden können. Siemens und Heitec zeigen, wie dies mit einem durchgängig mechatronischen Ansatz über die gesamte Supply Chain vom Vertrieb über das Engineering bis zum virtuellen Test und der Inbetriebnahme kostensparend und effizient geschehen kann.

Verpackungsmaschinen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie werden immer komplexer (Bild: MediaProduction).

Verpackungsmaschinen in der Nahrungs- und Genussmittelindustrie werden immer komplexer (Bild: MediaProduction).

Die Komplexität von Verpackungsmaschinen wird in den nächsten Jahren weiter steigen, und im Spannungsfeld zwischen hohem Individualitätsgrad, wettbewerbsfähigen Maschinenpreisen und kurzen Lieferzeiten stößt das bisher praktizierte Konzept des Make-to-Order-Engineerings an seine Grenzen. Einen Ausweg bietet das Konzept Configure-to-Order. Hierbei wird die Maschinensoftware automatisiert erzeugt, beispielsweise SPS-Programme und Bedienoberflächen.

Maschinen-Modularisierung als Basis

Am Anfang der Konzeptionierung steht dabei immer die Modularisierung der Maschine. Hierbei sind die Grundsätze von ANSI/ISA-88.00.01 maßgeblich für die hierarchische Strukturierung. Als Funktionseinheit kann hierbei die Kombination mehrerer Module bezeichnet werden, die aus Mechanik, Elektronik und Software bestehen und damit eine autonome mechatronische Einheit abbilden. Die Aneinanderreihung mehrerer Funktionseinheiten bildet durch die Ausführung unterschiedlicher Aufgaben den Maschinenprozess ab, zum Beispiel Einlauf, Befüllung, Kontrolle und Auslauf. In dem mechatronischen Systembaukasten sind sämtliche Funktionen der Maschinen katalogisiert, versioniert und mit den erforderlichen Dokumenten versehen.

»Mit dem Configure-to-Order-Prinzip konfiguriert der Maschinenbauer kundenspezifische Maschinen aus der mechatronischen Bibliothek – und dies automatisiert mit Generatoren, wenig innerer Varianz und wenig Handarbeit im Engineering«, erklärt Dr. Holger Grzonka, Leiter Promotion Verpackungslösungen bei Siemens Digital Industries. »Der Erfolgsfaktor für die Maschinensoftware ist ein standardisiertes Schnittstellendesign, das den automatischen Aufbau des kompletten Steuerungssystems gestattet.« Damit fügen sich alle Puzzleteile zu einem Ganzen zusammen, angefangen von Motion Control bis zur fertigen Bedienoberfläche. Bisher lagen die typischen Aufwände für eine Maschine vom Auftragseingang bis zur Inbetriebnahme zwischen 500 und 1000 Stunden. Mit einem Configure-to-Order-System sei es möglich, die Stunden um bis zu 50 Prozent zu reduzieren, so Grzonka.

Vertriebskonfigurator strukturiert die Anforderungen

Der Vertriebskonfigurator ist eine intuitiv bedienbare Applikation und zeigt in Abhängigkeit des gewünschten Maschinentyps das zugehörige Produktportfolio an. Über Drag-and-drop lässt sich die gewünschte Maschinenausprägung zusammenstellen. Plausibilitätsprüfungen schließen Fehler aus.

Über einen Vertriebskonfigurator lässt sich die gewünschte Maschinenausprägung zusammenstellen, Plausibilitätsprüfungen schließen dabei Fehler aus (Bild: StockRocket).

Über einen Vertriebskonfigurator lässt sich die gewünschte Maschinenausprägung zusammenstellen, Plausibilitätsprüfungen schließen dabei Fehler aus (Bild: StockRocket).

So kann bereits in der Angebotsphase eine Maschine mit den geforderten Eigenschaften strukturiert werden. Je genauer die Anforderungsspezifikation erstellt wird, desto reibungsloser kann die fertige Lösung erarbeitet werden.

Die Konfiguration bildet dann die Grundlage für das Engineering und reguliert den Anteil an individuellen Anpassungen. Insgesamt können mit diesem systemischen Ansatz die Kundenanforderungen zu einem hohen Prozentsatz abgedeckt werden. Für Anforderungen, die nicht vollständig mit dem Systembaukasten abdeckbar sind, entscheidet das Portfolio- oder Produktmanagement, ob die zusätzlichen Funktionen standardisiert oder individuell behandelt werden.

Ausgegeben wird ein Strukturplan in Form einer XML-Datei, die die Maschine durch alle Prozesse begleitet. Sie enthält die gesamte Maschinenkonfiguration inklusive Mechanik, Elektronik und Software. Mit ihr können die entsprechenden Schnittstellen der Applikationen bedient werden.

Tool für Automation und Bedienoberfläche

Die aus dem Vertriebskonfigurator generierte Maschinenkonfigurationsdatei dient dem Engineering-Generator als Generieranleitung, wie das entsprechende Projekt zu entwickeln ist. Der Engineering-Generator analysiert die Maschinenkonfigurationsdatei und baut mit den nötigen Bausteinmodulen und den damit verwendeten Standardkomponenten das Kundenprojekt zusammen. Über die »TIA-Openness«-Schnittstelle ist es möglich, bis in die »Sinamics«-Antriebsparameter Änderungen nach Generiervorschrift vorzunehmen.

Die Bedienoberfläche wird mit dem »Simatic Visualization Architect« (»SiVarc«) aufgebaut. Der regelbasierte Editor erzeugt ein dynamisches HMI in direkter Abhängigkeit des SPS-Programms, das sofort nach dem Generieren funktionsfähig ist. Bilder, Popup, Ereignissteuerung, Animation, Variablenanbindung usw. werden automatisch erstellt. Die Lösung ist 100 Prozent passend zum Anwendungsprogramm. Änderungen lassen sich durch Neugenerieren sofort im Projekt umsetzen.

Mit einem virtuellen Test, zum Beispiel über »PLCSim advanced«, können Maschinenbauer ihre Maschinenabläufe und das Zusammenspiel der Funktionsmodule testen. »Bisher baute man zuerst die Mechanik und automatisierte dann die Maschine. Jetzt geschieht beides zeitgleich virtuell«, bekräftigt auch Frank Hampe, Standortleiter der Heitec AG in Neckarsulm. »Mit dem mechatronischen Baukasten verfolgen wir ein neues Entwicklungsparadigma, das Projektzeiten und damit Lieferzeiten deutlich verkürzt. Gleichzeitig werden auch die Kosten − insbesondere die Fehlerkosten beispielsweise bei der Inbetriebnahme − deutlich reduziert und die Qualität gesteigert.«

Der mechatronische Baukasten in der Praxis

Siemens und Heitec haben bei einem Hersteller von Abfüllmaschinen für Molkereiprodukte einen mechatronischen Baukasten entwickelt, womit sich eine konfigurierbare Maschine zu 100 Prozent automatisch generieren lässt. Die mechatronische Bibliothek garantiert durch standardisierte Schnittstellen, dass alle Funktionsbausteine ineinanderpassen.

Dank Modularisierung können kundenspezifische Maschinen nach dem Baukastenprinzip automatisiert generiert werden (Bild: gorodenkoff).

Dank Modularisierung können kundenspezifische Maschinen nach dem Baukastenprinzip automatisiert generiert werden (Bild: gorodenkoff).

Gleichzeitig genügt die Bibliothek den Anforderungen für die Generierbarkeit, Modularisierung, Betriebsartenverwaltung und Maschinenzustandsautomat unter Berücksichtigung des Branchenstandards »PackML«. Mit der erstellten Bibliothek können jetzt kundenspezifische Maschinen nach dem Baukastenprinzip automatisiert generiert werden.

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