Zylinderbohrungen hochgenau bearbeiten

Artikel vom 26. November 2020
Spezielle Werkzeuge

Im Mercedes-Benz-Werk in Mannheim entstehen moderne Motoren für Lkw. Die Voraussetzung für bestmögliche Motoreigenschaften sind unter anderem besonders enge Toleranzen bei den entscheidenden Abmessungen der Motorblöcke. Diese werden mit Werkzeugen von Mapal erreicht.

Diesen und viele weitere Fachbeiträge lesen Sie in der 2020er-Ausgabe des Jahresmagazins »Maschinenbau + Metallbearbeitung«, das Sie über diesen Link bestellen können.

Bei der Bearbeitung dieser Aufnahmen für die Zylinderlaufbuchsen ist höchste Präzision gefordert (Bild: Mapal).

Bei der Bearbeitung dieser Aufnahmen für die Zylinderlaufbuchsen ist höchste Präzision gefordert (Bild: Mapal).

Bei der Fertigung der Motoren ist höchste Präzision gefragt. Denn um die bestmöglichen Motoreigenschaften gewährleisten zu können, müssen die entsprechenden Flächen im Motorblock mit äußerster Genauigkeit bearbeitet werden. Ihre Geometrie ist komplex und beinhaltet eine Vielzahl an Schlüsselmerkmalen, für die höchste Toleranzklassen prozesssicher einzuhalten sind. Dazu gehören je nach Motortyp mehrere H7-Passungen, diverse Bereiche mit Genauigkeitsvorgaben unter 15 Mikrometern sowie eng tolerierte Fasen, darunter eine 20-Grad-Fase mit Auslauf, für die eine Winkeltoleranz von lediglich ±0,025 Grad bei zugleich hohen Anforderungen an die Oberflächengüte einzuhalten ist. Neben all der Genauigkeit liegt das Augenmerk zudem auf einer wirtschaftlichen Fertigung.

Eine erste Linie für die Bearbeitung dieser Motorblöcke war im Jahr 2011 in Betrieb genommen worden. Bei der Planung einer zweiten Linie griffen die Verantwortlichen auf die Erfahrungen mit der ersten Linie zurück. Als besonders anspruchsvoll deklarierten sie die Bearbeitung der Bohrungen für die Aufnahmen der Zylinderlaufbuchsen. Die Bearbeitung wird in zwei Stationen aufgeteilt: eine für die Vor- und eine für die Fertigbearbeitung.

Hierfür hat der Werkzeughersteller Mapal komplexe Aussteuerwerkzeuge entwickelt, die mit bis zu 20 Schneidplatten sowohl als ISO- als auch als Sonderausführung bestückt sind. Die Aussteuerwerkzeuge haben einen als Monoblock ausgeführten Grundkörper. Die HSK-160-Schnittstelle hat eine vergrößerte Planfläche von 200 Millimetern Durchmesser. Insgesamt wiegt ein Werkzeug bis zu 60 Kilogramm. Trotz der Schnittstelle und einer Werkzeuglänge von 380 Millimetern muss eine Rundlaufgenauigkeit des Werkzeugs von 3 Mikrometern sichergestellt sein. Über eine zusätzliche NC-Achse in der Maschinensteuerung werden die Schieber mittels einer Zugstange angesteuert. Diese musste in die HSK-Schnittstelle integriert werden und für den automatischen Werkzeugwechsel geeignet sein. Gelöst wurde diese Herausforderung mit einer hochpräzisen Bajonettverriegelung. Über diese wird die Zugstange automatisch beim Werkzeugwechsel gekoppelt.

n bestimmten Bereichen des Aussteuerwerkzeugs kommen formgeschliffene Platten mit Sonderkontur zum Einsatz (Bild: Mapal).

n bestimmten Bereichen des Aussteuerwerkzeugs kommen formgeschliffene Platten mit Sonderkontur zum Einsatz (Bild: Mapal).

Innerhalb des Werkzeugs werden die Bewegungen der Zugstange mithilfe von Rampen aus Hartmetall auf die Schieber übertragen. Um die geforderten Stückzahlen zu erreichen, werden auf den Sondermaschinen jeweils drei Bohrungen mit drei Spindeln gleichzeitig bearbeitet. Die drei Werkzeuge pro Maschine sind jeweils einer bestimmten Spindel zugeordnet. Damit wird Prozesssicherheit gewährleistet. Für jedes Werkzeug gibt es ein Schwesterwerkzeug sowie ein weiteres Reservewerkzeug für die turnusmäßigen Wartungen und Instandsetzungen bei Mapal.

Die Betätigung der Schieber des Aussteuerwerkzeugs erfolgt über eine Zugstange mit hochpräziser Bajonettkupplung (Bild: Mapal).

Die Betätigung der Schieber des Aussteuerwerkzeugs erfolgt über eine Zugstange mit hochpräziser Bajonettkupplung (Bild: Mapal).

Da die Werkzeuge sehr präzise gefertigt sein müssen, war der manuelle Fertigungsanteil seitens des Werkzeugherstellers sehr hoch. So wurden beispielsweise Schieberschächte im Werkzeuggrundkörper von Hand geläppt, und auch die Genauigkeit der Zugstangenmechanik musste höchsten Präzisionsanforderungen genügen. Für jedes dieser Werkzeuge ergab sich allein schon ein manueller Arbeitszeitaufwand von mehreren Mannwochen.

Wechseln der Schneiden und Einstellen der Werkzeuge

Bei Bearbeitungen wie diesen werden die Schneiden solcher Werkzeuge in der Regel im Arbeitsraum gewechselt und eingestellt. Dies ist wegen des Kühlschmierstoffs nicht nur unkomfortabel für den Maschinenbediener, die Maschine kann in dieser Zeit auch nicht produzieren. Bei einem Dreischichtbetrieb und drei Werkzeugen pro Maschine würde sich diese Stillstandszeit auf drei bis vier Stunden täglich summieren.

Beim 60 Kilogramm schweren Werkzeug darf die Rundlaufabweichung bei einer Länge von 380 Millimetern nicht mehr als 3 Mikrometer betragen (Bild: Mapal).

Beim 60 Kilogramm schweren Werkzeug darf die Rundlaufabweichung bei einer Länge von 380 Millimetern nicht mehr als 3 Mikrometer betragen (Bild: Mapal).

Gemeinsam mit den Mitarbeitern von Mercedes-Benz sowie dem Maschinenhersteller hat Mapal deshalb ein Konzept für den automatischen Werkzeugwechsel sowie zum Einstellen der Werkzeuge außerhalb der Maschine entwickelt. Das klingt zunächst banal, da dieses Vorgehen bei Bearbeitungsmaschinen durchaus üblich ist. Allerdings zeigen allein schon die Dimensionen der Werkzeuge, welche Herausforderung dies in diesem Fall darstellt. Da eine Maschine mit automatischem Werkzeugwechsel für diese Art der Bearbeitung und in diesen Dimensionen eine Neuheit darstellte, forderte das Projekt viel Innovationskraft und Mut zu Neuem bei allen Projektpartnern.

Einstellgeräte für hängende Werkzeuge

Um das externe Einstellen so einfach wie möglich zu gestalten, entwickelte Mapal passend zu den Werkzeugen die entsprechenden Geräte für Transport, Einstellung und Instandhaltung – unter anderem eine Lösung für das Handling beim Ein- und Auswechseln der Werkzeuge im Magazin, denn der Werkzeugeinsatz in der Bearbeitungsmaschine erfolgt hängend, was durchaus außergewöhnlich ist.

Aufgrund des hohen Werkzeuggewichts von rund 60 Kilogramm hätte schon allein das zweimalige manuelle Umdrehen des Werkzeugs zu hohen Belastungen für das Personal geführt. Zudem spielt bei solchen Gewichten der Sicherheitsaspekt eine große Rolle. Darüber hinaus hätte das Risiko bestanden, dass das Werkzeug beschädigt wird. Deshalb realisierte Mapal zwei speziell entwickelte Einstellgeräte, die die Werkzeuge in hängender Position aufnehmen. Hinzu kam ein Wagen für den hängenden Transport zwischen Bearbeitungsmaschine und Einstellgerät. Die Werkzeuge werden also in gleicher Lage transportiert und eingestellt, in der sie in der Bearbeitungsmaschine zum Einsatz kommen.

Die an den Einstellgeräten ermittelten Messergebnisse werden direkt auf einen RFID-Datenträger am Werkzeug übertragen. Dieser wird von der Steuerung der Bearbeitungsmaschine beim Einwechseln ausgelesen. Hierdurch kann die Maschine während der Bearbeitung einen Teil der wichtigen Maße mithilfe der Aussteuerschieber nachstellen. Ab dem zweiten Werkstück werden die Ergebnisse der routinemäßigen QS-Messungen berücksichtigt. Dieser geschlossene Qualitätsregelkreis für die Werkzeuge hatte für Mercedes-Benz hohe Priorität.

Insgesamt konnte die Linie planmäßig in Betrieb genommen werden. Die Werkzeuge erfüllen ihre Aufgabe gemäß aller Vorgaben und die Motorblöcke werden heute hochpräzise in Serie gefertigt.

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